Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges wurde nach Meinung namhafter Experten (Waltz, Mowle and Sacko u.a.) aus einer bipolaren Weltordnung vorerst eine unipolare mit den USA als einzig verbliebener Weltmacht. Manche (v.a. Francis Fukuyama) argumentierten gar, das Modell der westlich liberalen Demokratie würde sich auf Dauer weltweit durchsetzen und zum „Ende der Geschichte“ zwischenstaatlicher militärischer Konflikte führen. Dies gründete auf dem empirisch relativ robusten Befund des so genannten demokratischen Friedens, der besagt, dass sich stabile Demokratien gegenseitig nicht bekriegen. Diese Thesen führten u.a. dazu, dass sich Neokonservative für die Verbreitung der Demokratie mit Waffengewalt stark machten und damit den Irak-Krieg u.a. Interventionen gegen so genannte „Schurkenstaaten“ rechtfertigten. Schließlich hatte US-amerikanische Militärgewalt auch Nazi-Deutschland bezwungen, womit die Idee nicht völlig empiriefrei war.
 
Unter G. W. Bush blieb die Überzeugung dominant, dass man Diktaturen auf militärische Weise in Demokratien verwandeln könnte. So machte man sich daran, die verbliebenen Autokraten v.a. und zuerst dort zu bekämpfen, wo es auch um wirtschaftliche Interessen ging. Dabei schreckte man vor bewusster Täuschung und Lüge nicht zurück, wie die berühmte Rede von Colin Powell vor der UNO belegt, die er später als „Schandfleck“ seiner Karriere bezeichnete. Tony Blair und andere waren bereit, sich der Koalition der Willigen anzuschließen und die Lüge als Vorwand zu nehmen, um den Despoten Saddam Hussein zu eliminieren, und damit dem Ziel einer demokratischen Welt, die von einer US-Vormacht abhängig wäre, näher zu kommen. Die Europäer waren damals schwer gespalten. Während die osteuropäischen Staaten großteils mitzogen, weil man die USA als Schutzmacht gegenüber Russland sah und nicht enttäuschen wollte, opponierten Frankreich unter Chirac und Deutschland unter Schröder gemeinsam mit Russland unter Putin gegen den Irak-Krieg.
 
Putin versuchte zu dieser Zeit, den Europäern mehrfach eine sicherheitspolitische Kooperation anzubieten, um die USA und die US-geführte NATO zu schwächen. Die Europäer waren dahingehend nicht nur komplett gespalten, sondern auch zu sehr von den USA abhängig (wirtschaftlich wie militärisch), als dass sie auf ein solches Angebot hätten eingehen können.
 
Die Versuche der USA, alle Despoten der Welt loszuwerden, scheiterten trotz mancher Erfolge. Hussein und Ghadafi wurden tatsächlich besiegt, aber es folgte keine Demokratisierung. In anderen Ländern hielten sich einige Autokraten hartnäckig, andere traten neu auf den Plan oder transformierten ihre Länder in autoritäre Systeme. Syriens Assad war einer davon, Kim Jong Un ein anderer und Wladimir Putin ein dritter. Das neokonservative Konzept der Demokratie-Verbreitung mit Waffengewalt hatte sich als unrealistisch herausgestellt.
 
Gegenüber Putin, der nach dem Scheitern seiner europa-orientierten Vorschläge sowohl nach innen als auch nach außen immer autoritärer wurde und den Einfluss Russlands durch eine Eurasische Union wieder ausdehnen wollte, schlugen die USA eine immer härtere Gangart ein. Ohne Zweifel wurden in der Ukraine, in Georgien und anderen Ländern Kräfte gestärkt und unterstützt, die sich von Russland emanzipieren und den westlichen Weg der liberalen Demokratie mit NATO-Anbindung einschlagen wollten. Das wiederum ließ Putin reagieren – mit der Besetzung der Krim, der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine sowie des syrischen Diktators, einer fanatischen Aufrüstungspolitik, dem weiteren Einschüchtern oder Ausschalten westlich orientierter Politiker oder NGOs im eigenen Land und zuletzt sogar mit einem Informations-Krieg, der Verbreitung von Fake News und der zumindest versuchten Manipulation von Wahlen in westlichen Ländern.
 
Der autoritäre Weg Russlands zeigt den USA das Scheitern ihrer außenpolitischen Doktrin auf, die zumindest im Pentagon noch sehr dominant ist und noch keineswegs fallen gelassen wurde. Der Fall Skripal ist nur ein bis dato letzter Akt in diesem Spiel.
 
Europa steht dabei unter Druck der USA – auch das steht außer Frage. Gerade jetzt, wo Trump Zölle androht, haben die USA leichtes Spiel, die EU zu Maßnahmen zu bewegen, die sie ohne diesen Druck vielleicht nicht setzen würden. Gleichzeitig ist Trump aber kein Anhänger der Demokratisierungs-Doktrin und hat sogar Sympathien für Putin. Manche Hinweise zeigen gar, dass es zumindest ansatzweise zu einer Umkehrung der neokonservativen Logik kommt: Nicht die USA demokratisieren Russland, sondern Putin untergräbt die US-Demokratie. Und gemeinsam haben Putin und Trump das Interesse, Europa zu spalten. Das alleine schon sollte Grund genug für die EU sein, sich von den USA und allen anderen weitgehend zu emanzipieren.