Eine Stärkung der direkten Demokratie drängt sich derzeit wieder auf, da beide künftigen Regierungsparteien entsprechende Reformen dahingehend angekündigt haben. Zu erinnern ist daran, dass dies kein neuer Vorschlag ist. Schon Jörg Haider hat in seinem Modell der Dritten Republik direktdemokratische Elemente in Anlehnung an die Schweiz vorgeschlagen. Er blieb damit im Parteienspektrum nicht allein. Auch die Grünen (z.B. Daniela Musiol) haben sich für mehr direktdemokratische Elemente stark gemacht, und sogar SPÖ und ÖVP haben sich auf unterschiedlichen politischen Ebenen zumindest für eine Diskussion offen gezeigt. Der Teufel steckt jedoch im Detail und in der konkreten Ausgestaltung. Wie hoch sollen die Quoren sein? Worüber sollte abgestimmt werden dürfen? Wer soll Abstimmungen initiieren können? usw.

GegnerInnen der direkten Demokratie geben zu bedenken, dass das Instrument für autoritäre und populistische Akteure besonders vielversprechend wäre. In Kombination mit einem starken Boulevardjournalismus könnten auf diese Weise Minderheitenrechte abgebaut werden. Dem kann man entgegen halten, dass ein autoritärer Umbau der Demokratie etwa in Ungarn, Polen etc. in den letzten Jahren gerade nicht mit direktdemokratischen Methoden, sondern über repräsentative Verfahren erfolgte. In Ungarn scheiterte Orban sogar mit einem von ihm initiierten Plebiszit über die Flüchtlingsverteilung. Warum ein autoritärer Umbau und der Abbau von Oppositionsrechten durch direktdemokratische Elemente wahrscheinlicher sein soll als durch repräsentative, lässt sich zumindest empirisch nicht leicht erklären. Die Weimarer Republik und die österreichische 1. Republik sind jedenfalls nicht an Volksentscheiden gescheitert. Für jedwede Reform müssten unbedingt die Menschen- und Grundrechte außer Streit gestellt werden. Über sie kann man nicht abstimmen.

Eine weitere Sorge ist die nach der Partizipation. Würden nicht nur wieder jene abstimmen gehen, die ohnehin privilegiert sind – also die üblichen Verdächtigen, gebildet, wohlhabend? Dieses zweite Argument widerspricht tendenziell dem ersten, das sich um die manipulative Kraft von Referenden sorgt. In Hinblick auf die Beteiligung kann als Gegen-Beispiel die Schweiz dienen. Dort liegt die Partizipation insgesamt unter 50 %, aber die Quote bei Wahlen liegt nicht über jener von Volksabstimmungen. In Österreich hatten wir bei der Volksabstimmung zum EU-Beitritt übrigens eine Beteiligung von 82 %. Es kann also nicht per se davon ausgegangen werden, dass es hier zu einer sozial begründeten Exklusion schwächerer Bevölkerungsgruppen käme.

Die Frage, ob die direkte Demokratie gestärkt werden sollte oder nicht, ist nicht einfach zu beantworten. Es gibt Für und Wider und viele Details, die zu klären wären. Sicher ist jedoch, dass die repräsentative Demokratie in ihrer jetzigen Form an Zustimmung verliert und vor Autoritarismus nicht gefeit ist. 86 % der ÖsterreicherInnen begrüßen einer unserer Umfragen zufolge eine Stärkung direktdemokratischer Elemente. Jedenfalls wäre eine fundierte, behutsame Debatte nötig, um Schnellschüsse zu vermeiden. Der große Erfahrungsschatz des Schweizer Experten Andi Gross und seine vielen wertvollen Texte zu diesem Thema sollten hier Berücksichtigung finden.