David Ellerman (geb. 1943) ist ein US-amerikanischer Philosoph, Mathematiker, Ökonom und politischer Theoretiker, dessen Schriften zu den derzeit spannendsten und intellektuell anspruchsvollsten Beiträgen über die moderne Arbeitswelt zählen. Er stand und steht im regen Austausch mit Größen wie Albert Hirschman, Robert Dahl, Noam Chomsky oder Carole Pateman. Neben seiner akademischen Laufbahn arbeitete er in den 1990er Jahren in der Weltbank als Berater von Joseph Stiglitz und Nicholas Stern und war an der Gründung von demokratischen Firmen (Genossenschaften) in den USA und Europa beteiligt.

Die heutige Arbeitswelt beruht auf dem Prinzip der Sklaverei

Seine zentrale These lautet, dass die gegenwärtigen Beschäftigungsverhältnisse nach wie vor auf den Grundprinzipien der Sklaverei beruhen. Während Sklaven und deren Arbeitskraft zur Gänze gekauft wurden, definiert sich die gegenwärtige Arbeitswelt über die Vermietung von Personen und deren Arbeitskraft. Legitimiert werde dies heute in der Regel durch das Argument der Freiwilligkeit. Niemand wäre verpflichtet, für eine bestimmte Person oder Firma zu arbeiten. Jeder hätte das Recht und die Möglichkeit, sich nicht mieten zu lassen. Dem hält Ellerman entgegen, dass rechtsphilosophisch betrachtet auch die Sklaverei sehr häufig auf Freiwilligkeit beruhte. Auch wenn die Alternativen sehr unattraktiv waren (von kompletter Enteignung über Gefangenschaft oder Verdammung bis hin zum Tod), war eine Ablehnung der Sklaverei möglich. Und mehr noch: Zwischen Herrn und Sklaven wurden nicht selten Verträge geschlossen, die sogar von liberalen Denkern als gültig erachtet wurden. Übertragen auf die Gegenwart gilt Ähnliches: Arbeitsverträge beruhen zwar auf Freiwilligkeit, aber die Alternativen (Arbeitslosigkeit oder schlechterer Job) sind oft unattraktiv.

ArbeitnehmerInnen werden rechtlich zu Objekten

Ellerman zeigt damit, dass die Sklaverei genauso wie ein heutiges Beschäftigungsverhältnis auf Verträgen beruhte – und dass die Frage nach der Freiwilligkeit daher kein Kriterium zur Abgrenzung zur heutigen Arbeitswelt sein kann. In beiden Fällen wird durch Verträge die Entfremdung eines Vertragspartners beschlossen. Im Fall der Sklaverei für die gesamte Person und ihre gesamte Arbeitsleistung. Im Fall der heutigen ArbeitnehmerIn für die Dauer der Arbeitszeit. Und beide Fälle kritisiert Ellerman dahingehend, dass die Entsubjektivierung nur für die erbrachte Arbeitsleistung gilt, nicht aber für anderes. Wenn ein Sklave einen Tempel baute, gehörte dieser seinem Herrn. Wenn er einen Mord beging, so wurde er rechtlich wieder zum Subjekt und musste sich für diese Tat selbst verantworten, während ihm Subjektrechte im Falle seiner eigenen Arbeitsleistung abgesprochen wurden, denn all seine Arbeit gehörte seinem Herrn. An diesem Prinzip hat sich bis heute nichts geändert: Ein/e ArbeitnehmerIn wird in Hinblick auf seine Leistung entrechtet, entfremdet – die Leistung gehört ihm/ihr nicht, sondern seinem/ihrem Arbeitgeber. Würde er/sie aber von diesem während seiner Arbeitszeit zu einer Straftat – etwa einem Bankraub – animiert, dann wäre er/sie sofort wieder Subjekt des Rechts und für die eigene Tat voll verantwortlich. Mit anderen Worten: ArbeitnehmerInnen werden durch die üblichen Beschäftigungsverhältnisse vertraglich zum Objekt des Arbeitgebers, quasi zu einer Arbeitsmaschine. Sie bleiben aber Subjekt, wenn sie das Recht brechen.

Demokratische Firmen statt Marxismus

Aus all dem folgt für Ellerman, dass die Rechtslage in der Arbeitswelt rein rechtsphilosophisch nichtig ist, weil sie den Gleichheitsgrundsatz ignoriert. Als Lösung für diese Verdinglichung der menschlichen Arbeitskraft sieht er jedoch nicht die marxistische Variante der Verstaatlichung. Denn in dieser bliebe die grundsätzliche Verdinglichung ja aufrecht, nur wäre der Arbeitgeber ausgetauscht: nicht mehr private Chefs oder Chefinnen würden die ArbeiterInnen ausbeuten, sondern der Staat. Der/die ArbeitnehmerIn könnte unter diesen Umständen nicht mal mehr zwischen besseren und schlechteren Verhältnissen wählen oder den Arbeitgeber wechseln. Für Ellerman ist die sozialistische Bewegung vor 150 Jahren daher falsch abgebogen, indem sie die Verstaatlichung als Lösung der Ausbeutung interpretierte.

Seine Lösung lautet anders: Genossenschaften als demokratische Firmen, in denen alle Mitglieder die Firma gleichermaßen besitzen und folglich am Gewinn wie am Verlust beteiligt sind. Dieses Genossenschaftsmodell sieht er als einzige Möglichkeit, um die Freiheit der Einzelnen aufrecht zu halten und sie nicht in sklavenähnliche Verträge zu zwingen. In den USA gibt es heute schon über 7.000 solcher Workers‘ Cooperatives. In Europa ist die baskische Firma Mondragon der große Vorreiter.

David Ellerman hält die weitere Verbreitung dieses Wirtschaftsmodells auch in Europa für möglich. Er tourt durch verschiedene Länder, stellt seine Thesen vor und begleitet Gründungsprojekte mit seiner Expertise.

Website: www.ellerman.org