2018 war kein gutes Jahr für die Demokratie. Von den 88 Ländern, die laut Freedom House am Beginn des Jahres noch als freie Demokratien galten, haben sich einige in den letzten Monaten von wichtigen demokratischen Grundregeln verabschiedet. Dazu zählen Länder der Europäischen Union wie Ungarn oder Polen, in denen sich die autoritären Trends der letzten Zeit verschärft haben. Andere Staaten gehen zwar noch als Demokratien durch, haben aber in ihrer Qualität deutlich eingebüßt und befinden sich ebenso am absteigenden Ast. Die USA sind das größte und wichtigste Beispiel dafür, aber auch Österreich oder Italien zählen dazu. Verschlechtert hat sich die Lage außerdem dort, wo bestehende autoritäre Strukturen weiter gefestigt wurden, etwa in Russland oder China. Und in manchen Staaten wie Brasilien sind offen anti-demokratische Kandidaten an die Macht gewählt worden. Darüber hinaus scheinen auch in weiterhin als demokratisch geltenden Ländern autoritäre und nationale Ideen im Vormarsch. In den meisten Staaten ist der Diskurs rauer geworden. Die Bereitschaft, sich auf internationale Verträge und Verpflichtungen einzulassen, beim Klimaschutz oder der Migrationspolitik, ist unter vielen Regierungen gesunken. Die USA haben dies mit dem Motto „America first“ am deutlichsten gezeigt. Aber auch das kleine Österreich hat sich mit seinem Ausstieg aus dem Migrationspakt als Vorreiter des Isolationismus versucht. Mit Demokratie hat das insofern zu tun als bekannt ist, dass sich autoritäre Staaten deutlich weniger auf internationale Abkommen einlassen.

In Österreich ist wie in vielen anderen Staaten die Demokratiequalität 2018 deutlich gesunken. Die Bilanz des Jahres ist ernüchternd: Transparenz ist gering, die Regeln zur Finanzierung von Parteien und Wahlkämpfen werden nicht ernst genommen oder sogar belächelt, Überwachungspakete schränken Grundrechte ein, NGOs werden als kriminell verunglimpft, das Versammlungsrecht wird erschwert, Volksbegehren werden ad absurdum geführt, JournalistInnen werden bedroht oder selektiv mit Informationen versorgt, das Parlament wird durch Schnellschüsse der Regierung überrascht, rechtsextreme Medien und Einzelpersonen werden aufgewertet, hingegen Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem muslimischen Glaubens, zunehmend (zumindest verbal) attackiert und strukturell diskriminiert, Message-Control hält Einzug, usw. Die Liste der Demokratie-Indikatoren, die sich verschlechtert haben, ist zu lange, um sie hier alle zu nennen.

Doch nicht nur im Nationalstaat ist die Demokratie 2018 unter Druck geraten. Sie hat sich auch im alltäglichen Leben, wo sie ohnehin nicht gut verankert ist, weiter verschlechtert: ArbeitnehmerInnen geraten durch den 12-Stunden-Tag unter Druck. Die Ungleichheit in Hinblick auf freie Zeitgestaltung und sozio-ökonomischen Status nimmt zwischen den ohnehin herrschenden Eliten aus der Wirtschaft und den ArbeitnehmerInnen weiter zu. Im Alltag unserer Kinder, die viel Zeit in den Schulen verbringen, wurden überwunden geglaubte Mechanismen von Kontrolle, Überwachung und Sanktionierung wieder eingeführt. Die Chancen für Kinder aus weniger privilegierten Milieus werden sich durch die Reformen jedenfalls nicht verbessern, möglicherweise sogar verschlechtern.

Auf EU-Ebene haben sich die Freunde einer Demokratisierung der Institutionen und Prozesse nicht durchgesetzt. Durch die zunehmend nationalistischen Regierungen ist eine weitere Aufwertung des Europäischen Parlaments oder eine Demokratisierung der Euro-Zone außer Reichweite geraten. Die national dominierten Diskurse über Europa versperren Europa-Abgeordneten den Zugang zu nationalen Öffentlichkeiten. Die Demokratisierung der UNO ist unter den derzeitigen Verhältnissen in den Mitgliedstaaten nicht vorstellbar. Das Jahr 2018 hat die Hoffnung auf ein rascheres Vorankommen enttäuscht.

Und doch gibt es auch positive Entwicklungen der Demokratie. In Pakistan, einem der Krisenherde der Welt, wurde ein Demokrat zum Präsidenten gewählt. In Äthiopien und anderen afrikanischen Staaten wie Ghana oder Liberia entwickeln sich Wirtschaft und Demokratie. In Taiwan werden direktdemokratische Elemente gestärkt und in vielen anderen Ländern gibt es Versuche, durch Demokratie-Innovationen eine inklusivere und partizipativere Gesellschaft zu entwickeln.

Auch wenn 2018 die Demokratie-Bilanz im negativen Bereich anzusiedeln ist und Grund zur Sorge besteht, so ist der autoritäre Trend doch nicht eindimensional. Man kann eher von einem Kampf zwischen Demokratie-Modernisierung und Demokratie-Abbau sprechen, der 2019 weitergeht, und zwar auf allen Ebenen: der lebensweltlichen und alltäglichen, der lokalen, regionalen, nationalen und supranationalen bzw. globalen Ebene.

 

Die Weltkarte der Demokratie am Beginn des Jahres 2018 – Verschlechterungen im Laufe des Jahres werden hier noch nicht berücksichtigt

Quelle: Freedom House